Hartz 4 und die Arbeitslosen

fragwürdige Gesetzgebung, politische Fehltritte
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thbrueck
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Hartz 4 und die Arbeitslosen

Beitrag von thbrueck »


Am 1. März 2005 hat die Bundesagentur für Arbeit die aktuellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben. Mit ca. 5,2 Mio. Arbeitslosen ist damit ein Rekord in der Nachkriegszeit erreicht worden...


Die obige Aussage ist nachweislich richtig und durch Fakten belegt. Dass unsere Politiker Meister im "Schönreden" sind, weiß ich nicht erst seit heute. Da redet doch tatsächlich einer von "statistisch begründeter Verschiebung" ? Ich glaube, das war Hans Eichel oder Wolfgang Clement, was aber nicht wirklich von Bedeutung ist. Es spielt auch keine Rolle, mit welchen Ausdrücken man die Arbeitslosen noch bezeichnet: Erwerbslose, Arbeitssuchende...
...oder ob man Sozialhilfeempfänger und Teilnehmer an Umschulungsmaßnahmen dazu- oder abrechnet, alles in allem beziehen diese Leute ihre Einkünfte zum Lebensunterhalt aus den Töpfen des Sozialstaates. Das war vor der Arbeitsmarktreform durch Hartz 4 und danach ebenso.

Was mir ebenfalls interessant erscheint, ist die Zusammensetzung der Hartz 4 - Kommission:


Dr. Peter Hartz, Volkswagen AG
Isolde Kunkel-Weber, ver.di
Norbert Bensel, DaimlerChrysler Services AG
Dr. Jobst Fiedler, Roland Berger Strategy Consultants
Peter Gasse, IG Metall NRW
Prof. Dr. Werner Jann, Universität Potsdam
Dr. Peter Kraljic, McKinsey & Company Düsseldorf
Klaus Luft, Market Access for Technology Services GmbH
Harald Schartau, Minister für Arbeit, NRW
Wilhelm Schickler, Landesarbeitsamt Hessen
Hanns-Eberhard Schleyer, Zentralverband des Deutschen Handwerks
Prof. Dr. Günther Schmid, Wissenschaftszentrum für Sozialforschung
Wolfgang Tiefensee, Oberbürgermeister von Leipzig
Eggert Voscherau, BASF AG
Heinz Fischer, Deutsche Bank AG


Es fällt mir bei der Zusammensetzung obiger Mannschaft auf, dass direkt Betroffene irgendwie fehlen. Nicht mal auf der Ersatzbank findet sich ein Arbeitsloser ? Sind das nicht die Menschen, die ihre Situation am besten beurteilen könnten ? Nach Ansicht unserer Staatsmacht wohl eher nicht. Manager aus Industrie und Wirtschaft und Angestellte in gehobenen Positionen mit Gehältern, selbst wenn man ihnen die Hälfte kürzen würde, nicht einmal bemerken würden, dass sie den Gürtel enger schnallen müssten, um ihren Lebensstandard halten zu können, sind die "Macher" dieser Reform.

Es ist auch nicht ausschließlich diese Reform schuld an der schlechten wirtschaftlichen Lage. Bei Unternehmen hat sich schon seit Jahren eine Einsparungsmethode durchgesetzt: Abbau der Personalkosten !!!

Doch warum müssen die Unternehmen so sparen ? Klar, wenn es kaum noch Leute gibt, die genügend Kaufkraft vorweisen können, die Produkte zu erwerben, haben die Unternehmen ein Absatzproblem. Es ist und bleibt ein Teufelskreis: Die verantwortlichen Manager und "Bosse" können doch nicht allen Ernstes glauben, dass die gerade frisch Entlassenen nun genügend Zeit haben, shoppen zu gehen...
Nein, die Kaufkraft reduziert sich weiterhin und die Unternehmen behalten nach wie vor ihr Absatzproblem. Aber da gibt es ja noch eine beliebte Maßnahme, dem entgegen zu wirken: Abwanderung in Billiglohnländer, um die Produktionskosten zu senken !!! Dank Globalisierung und EU- Richtlinien und Gesetzen ist dies möglich und wird sogar noch subventioniert. Die Unternehmen wären doch blöd, diese Geschenke abzuweisen. Dass dabei nebenbei wiederum Stellen abgebaut werden, scheint niemanden so richtig zu interessieren. Da wird einfach der Slogan sozialverträglicher Stellenabbau in die Medienlandschaft geworfen und alle sind glücklich. Ob da nicht früher oder später so mancher doch beim Arbeitslosengeld 2 landet
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thbrueck
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Re: Hartz 4 und die Arbeitslosen

Beitrag von thbrueck »

So fügt sich ein Stein an den anderen:

Im März 2005 wurde auch der sog. Armuts- und Reichtumsbericht vom BGMS (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) veröffentlicht. Das ernüchternde Ergebnis des 370 Seiten "schweren" Dokuments ist schlicht und ergreifend die Tatsache, dass die Schere zwischen "Reichen" und "Armen" weiter auseinander geklafft ist. Nach Definition gilt derjenige in unserem Sozialstaat als arm, dem weniger als 60% des Durchschnittsnettoeinkommes zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ergibt dies rechnerisch ein Betrag von ca. 930 Euro. Dass natürlich ein Student, der noch bei seinen Eltern wohnt mit etwa 900 Euro eher nicht zur armen Bevölkerung gezählt werden kann und hingegegen ein arbeitslos gewordener Familienvater, dessen Hypotheken aufs Haus dadurch nicht verschwinden, diese rechnerische Einschätzung nicht teilen kann, kann eine solche mathematische Definition nur absurd erscheinen lassen !
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EnnoK
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Re: Hartz 4 und die Arbeitslosen

Beitrag von EnnoK »

Interessantes Thema.

Gibt es denn Zahlen wieviel Prozent der Bevölkerung weniger als der Durchschnitt verdienen? Ich tipp mal auf gut 80%.

Was bedeutet Lebensunterhalt? Komplett Nahrung, Kleidung, Wohnung, Fahrtkosten, Soziales (Freizeit etc.)?
Und wieviel bekommt ein Hartz-4-Empfänger denn nun wirklich insgesamt? 384 Euro + Miete + Sozialvergünstigungen?
Ist der damit schon an der 930-Grenze?
Wenn mein Arbeitgeber nicht meine Fahrtkosten zum Großteil übernehmen würde (Jobticket), wäre ich sicher auch deutlich am Limit und könnt mir überlegen meinen Job gegen Hartz-4 zu tauschen...
Ich hab keinen Fernseher, kein Auto, meine Wohnung ist winzig... also schlechter kann es mir damit nicht gehen.

thbrueck
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Re: Hartz 4 und die Arbeitslosen

Beitrag von thbrueck »

Hallo EnnoK,

interessant an dieser Betrachtung (und deshalb habe ich es damals online gestellt) ist die Entwicklung seither. Die Arbeitslosenzahlen sind seither deutlich gesunken. Hierfür machen die Politiker die Umsetzung der Hartz IV Gesetze verantwortlich - ob das tatsächlich der Grund ist für den wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland, darf bezweifelt werden. Faktisch belegt ist z.B. , dass die gute Konjunktur in der Stahlbranche auf die hohe internationale Nachfrage (siehe China) zurückzuführen ist...

Ebenfalls sollte man die Schönrederei der Arbeitslosenzahlen doch etwas relativieren. Ich will ja nicht behaupten, dass in dieser Sache keine positive Entwicklung stattgefunden hat, aber man darf das nicht einfach auf Hartz IV und eine politische Glanzleistung der Großen Koalition zurückführen.
Es ist nämlich ebenfalls faktisch erwiesen, dass laut aktuellen Armutsbericht, die Schere zwischen arm und reich nochmals auseinander geklafft ist. Wenn man nun noch die Diskussion um die Mindestlöhne miteinbezieht, entsteht plötzlich eine völlig neue Kausalität. Es ist doch nicht ungewöhnlich, wenn Firmen Arbeitskräfte beschäftigen (neu einstellen), die dem Billiglohnsektor angehören und zudem noch subventioniert werden. Arbeitslose, die außerdem gerade in Umschulungen untergebracht sind, werden statistisch nicht als Arbeitslose gezählt, obwohl ihr "Einkommen" aus dem gleichen Topf finanziert wird. Übrigens unterhält beispielsweise die Bahn ein eigenes (kleines) Arbeitsamt firmenintern, so mit Arbeitsvermittlern und Arbeitsagentur wie das große staatliche Vorbild. Damit gelten die dort "Nichtbeschäftigten" auch nicht als Arbeitslose.
Geld ist da in unserem Land, nur mit der Verteilung habe ich so meine Probleme. Hier wird das teilweise recht amüsant aufbereitet, obwohl es eine ernste verlogene Sache ist: (sehenswert, auch was nicht direkt mit diesem Thread zu tun hat)

http://www.youtube.com/watch?v=oGrsVzF5 ... re=related

http://www.youtube.com/watch?v=ko5CCSom ... re=related


Gruß,
Thomas
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EnnoK
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Re: Hartz 4 und die Arbeitslosen

Beitrag von EnnoK »

Habe heute in der Zeitung (Aufmacher der "WELT KOMPAKT") gelesen, dass 132 Euro das Existenzminimum in Deutschland darstellen. Also für ein blankes Überleben, wenn nur das billigste gekauft wird, und kein Geld für Luxus (Kultur zählen die auch dazu) ausgegeben wird. (ohne Wohnen)

Essen in Aldi-Märkten kaufen, Kleidung in Restpostenläden (abfällig Ramschläden), kein Bier-/Zigaretten-/Alkoholkonsum (ist halt auch Luxus).

Dagegen ist Hartz IV doch eindeutig zu hoch.
Ich wünsche es keinem, dass die Regierung auf die Idee kommt, diese Forschungsergebnisse für weitere Reformen zu Verschlimmbesserung der sozialen Situation in Deutschland zu nutzen.

Hab mir auch mal paar Gedanken zu einer wirklichen Reform gemacht:
Bürgergeld

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Tekpoint
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Re: Hartz 4 und die Arbeitslosen

Beitrag von Tekpoint »

Wie die Regierung die Arbeitslosenzahl herunterrechnet

http://daserste.ndr.de/panorama/media/panorama256.html

So einfach geht das und schon sieht die Welt besser aus :( Mal weis wo man noch so so betrogen wird. OK Finanzkrise würden wir ja auch mit den armen Staat schon vera..... man sieh wie viel Geld auf einmal da war und wo Deutschland ein Aufschwung hatte war irgendwie kein 10 Millionen für schulen ect. übrig

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