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Brief eines Linuxusers

Verfasst: So 6. Apr 2008, 12:12
von ayin
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich würde gerne von GNU/Linux auf Windows umsteigen. Als Informatik-Student bin ich in meiner Ausbildung von einem leistungsfähigen PC-System abhängig.

Deshalb habe ich noch einige Fragen, die vorab geklärt werden müssten, bevor ich mich zu einem Umstieg entschließe. Es wäre vor allem wichtig, dass ich in der Umstiegsphase weiterhin auf meine Linux-Ressourcen zugreifen kann. Von Vorteil wäre es weiterhin, wenn ich in der ersten Zeit bei evtl. auftauchenden Problemen kostenlosen Installations-Support erhalten könnte. Auch ausreichende Dokumentation ist mir unabdingbar, damit Probleme auch selbstständig von mir behoben werden können.
Als Kandidat aus Ihrem grossen Angebot im Bereich Betriebssysteme habe ich mir Windows XP Home Edition ausgesucht, da es wohl meinen Bedürfnissen am besten entspricht. Da ich auf Sicherheit und Anpassungsfähigkeit grossen Wert lege, würde ich gern erfahren, ob Windows XP unter einer freien Lizenz wie etwa der BSD-Licence oder der GNU General Public Licence steht, so dass ich in der Lage bin, das System vollständig auf meine Bedürfnisse anzupassen. Ausserdem würde ich gerne wissen, ob der Quellcode von XP mitgeliefert oder im Internet zur Verfügung gestellt wird, damit ich mich von der Qualität und der Sicherheit des Codes selbst überzeugen kann. Auch um z.B. den Kernel neu übersetzen (Steigerung der Performance), wäre die Verfügbarkeit des Quellcodes wichtig. Ich würde auch meine Freunde und und Bekannte gerne das System nutzen lassen. Ist es daher erlaubt, das Betriebssystem auf mehreren PCs zu installieren und Kopien der System-CDs an Freunde weiterzugeben?
Bevor ich mich endgültig zum Kauf entschliesse, würde ich das System gerne testen. Bietet Microsoft auf seinen Servern die Möglichkeit, Windows XP als Iso-Datei herunterzuladen, evtl. auch in eingeschränktem Funktionsumfang? Oder gibt es die Möglichkeit, das System übers Internet zu installieren? Für eine Angabe entsprechender URLs wäre ich dankbar, denn ich habe auch nach langem Suchen auf http://www.microsoft.de keine der beiden Möglichkeiten finden können. Auch die Software-Ausstattung ist selbstverständlich nicht zu vernachlässigen. Bei meiner aktuellen Linux-Distribution (SuSE Linux 8.1 Professionell) werden z.B. sieben CDs und eine DVD mitgeliefert. Wie viele CDs werden bei Windows XP Home mitgeliefert?
Um Betriebssysteme miteinander zu vergleichen, ist die Masse der Software aber natürlich beileibe nicht das einzige Kriterium. Viel wichtiger ist die Qualität der Software. Wird bei Windows XP z.B. ein gut ausgestattetes Office-Paket, vergleichbar dem kostenlosen OpenOffice mitgeliefert? Ich habe gehört, dass es unter Windows das sogenannte "Microsoft Office" gibt. Wird dieses mitgeliefert und wenn ja, kann es die Dateiformate der üblichen Linux-Office-Programme wie z.B. OpenOffice, KOffice oder Abiword lesen?
Da ich unter Linux auch des öfteren Grafiken gestalte, bin ich auch an einer leistungsfähigen Grafik-Software interessiert. Unter Linux gibt es dafür GIMP. Gibt es ein ähnlich gutes Programm auch unter Windows und liegt es der Packung bei? In einer Zeit, in der die Gigabytes der Festplatten dahinschmelzen wie Schnee unter der Sonne, ist wichtig, gute Brennsoftware zur Verfügung zu haben. Unter GNU/Linux gibt es für diesen Zweck beispielsweise die mitgelieferten Programme XCDRoast, Gnome-Toaster, KonCD, CD-Bake-Oven oder cdrecord. Werden Programme ähnlicher Leistungsfähigkeit bei Windows mitgeliefert?
Auch ein gutes Textsatzsystem ist unverzichtbar. Gibt es von Microsoft ein Programm wie LaTeX, das professionellen Textsatz auch auf dem heimischen PC ermöglicht?
In meiner Freizeit programmiere ich gerne (in Perl, aber auch in C, C++ und Java). Darum wäre ich daran interessiert, ein System zur Verfügung zu haben, das die entsprechenden Werkzeuge gleich mitbringt. Sind bei Windows XP die entsprechenden Tools (z.B. das Java Development Kit der Firma SUN) bereits vorinstalliert? Wird etwa ein leistungsfähiger Compiler, der sich vor dem GNU C Compiler gcc nicht zu verstecken braucht, mitgeliefert?

Ein System ist nur dann wirklich leistungsfähig, wenn der Anwender nicht auf eine GUI festgelegt ist, sondern sich sein Werkzeug nach Belieben heraussuchen kann. Dazu ist eine moderne Benutzerschnittstelle wie eine interaktive Kommandozeile, die idealerweise gleich eine Skriptsprache mitbringt, unverzichtbar. Gibt es eine leistungsfähige Shell (wie etwa die bash, die c-shell, die korn-shell oder die z-shell unter GNU/Linux) auch unter Windows und liegt diese der Windows-Distribution bei?
Das Wichtigste an einem Betriebssystem ist Einfachheit, so dass ich mit simplen Werkzeugen das System konfigurieren kann und nicht auf eine GUI angewiesen bin. Deshalb: Ist es möglich, die wichtigsten Konfigurationsdateien mit einem Texteditor zu editieren?
Unverzichtbar ist aber heute auch eine leistungsfähige grafische Oberfläche. Gibt es unter Windows XP, ähnlich wie bei KDE oder Gnome unter Linux, mehrere virtuelle Desktops, zwischen denen man hin- und herschalten kann, um bei vielen geöffneten Programmen die Übersicht zu behalten? Werden mehrere grafische Oberflächen mitgeliefert, wie unter Linux z.B. KDE, Gnome, XFCE, blackbox, IceWM, Windowmaker, Enlightenment, fvwm, fvwm2, twm, Sawfish oder Fluxbox (um nur die gängigsten zu nennen)? Auch dies ist wichtig, damit jeder Nutzer sich das für ihn Bequemste heraussuchen kann.

Da ich vorhabe, in nächster Zeit einen ausgedienten Pentium 60 zum Web- und Mailserver zu machen, würde ich gerne erfahren, ob es von Microsoft einen Webserver vergleichbar dem Apache und einen Mailserver ähnlich Sendmail, Postfix, Qmail oder Exim gibt, und wenn ja, ob dieser Windows XP beiliegt.
Entscheidend für mich ist es auch, jederzeit an meine Daten zu kommen, egal welches Betriebssystem gerade gebootet ist. Kann ich von Windows aus weiterhin auf meine Linux-Dateisysteme (reiserfs und ext2) zugreifen? Apropos Dateisysteme. Bei Linux werden oft gleich mehrere mit ausgeliefert, wie z.B. ext2, reiserfs, XFS, JFS oder ext3. Ist das bei Microsoft ähnlich?
Da ich - wie schon erwähnt - Windows XP erst einmal gründlich testen möchte, frage ich mich, ob ich Windows XP auch - so wie mein jetziges Linux-System - auf einer freien logischen Partition auf der zweiten Festplatte installieren kann? Wie schon gesagt, ist es für mich wichtig, zumindest anfangs beide Systeme parallel nutzen zu können. Ich habe gehört, dass Windows bei der Installation oft Probleme hat, den bisherigen Bootmanager und seinen Eintrag im Master Boot Record zu erkennen und ihn deshalb manchmal überschreibt. Entspricht dieses Gerücht der Wahrheit? Falls dies wahr sein sollte, würde ich gerne erfahren, wann Microsoft einen entsprechenden Patch herausbringt, der diesen lästigen Bug beseitigt. Wird ein Bootmanager mitgeliefert, damit ich Windows und Linux weiterhin parallel nutzen kann?

Gerade heute ist selbstverständlich die Sicherheit des Betriebssystems ein entscheidender Faktor, da durch Unsicherheiten und Lücken in der System-Software schnell beträchtliche Schäden entstehen können. Ist Windows XP daher resistent gegen Viren und Würmer, die sich unter Linux in letzter Zeit zunehmend in besorgniserregender Weise verbreitet haben? Viren verbreiten sich hauptsächlich über E-Mails. Sind die mitgelieferten Mailprogramme sicher gegen Viren, lässt sich das Anzeigen von HTML-Mails unterbinden und lässt sich verhindern, dass User angehängte Dateien ausführen? Auf einer Ihrer Seiten fand ich zufällig einen Vergleich zwischen Windows und Linux (Linux im Handel, Hotel- und Gaststättengewerbe - Was jeder Händler wissen sollte). Dort steht unter anderem: "Open Source heißt, jeder Anwender erhält eine Kopie des Quellcodes. Dabei stoßen Entwickler, die mit Linux arbeiten, häufig auf Sicherheitslücken. Auf Microsoft Windows trifft dies nicht zu."

Es ist natürlich logisch, dass eine weltweit agierende Firma mit hochqualifiziertem Personal bessere Softwarequalität zuwege bringt, als ein Haufen zusammengewürfelter Freizeit-Programmierer. Aber eine Frage stellt sich mir dennoch: Darf ich daraus schliessen, dass der Quellcode von Microsoft Windows fehlerfrei ist? Angenommen, der Windows-Quellcode sei 100%ig perfekt, wie kann es dann sein, dass es in einem anderen Vergleich zwischen Windows und Linux ("Windows 2000 - Abgrenzung gegen Linux") heisst:
"Als ein weiterer Beleg für die Unsicherheit von Windows wurden immer wieder die zahlreichen Viren und erfolgreichen Angriffe auf Windows-Server herangezogen."
Wie kann das sein, wenn der Quellcode von Windows doch offensichtlich fehlerfrei ist?

Bei mir daheim habe ich ein kleines Netzwerk aufgebaut, das aus einem Server und daran angeschlossenen Clients besteht. Deshalb ist mir wichtig, dass ein mehrfacher Login auf dem Server möglich ist und Anwendungen, die darauf gestartet werden, auf die Bildschirme der Clients umgelenkt werden können. Leistet Windows XP Home dies? Ist es möglich, Laufwerke zu mounten, um sie vor dem Herausnehmen zu schützen, während noch darauf zugegriffen wird? Der Server ist ein Pentium 350. Läuft Windows XP darauf in guter Geschwindigkeit? Daneben besitze ich ein I-Book von Apple Macintosh. Lässt sich Windows XP auch darauf installieren? Kann ich ohne weitere Probleme Windows XP auch auf meinem Notebook installieren, oder bei einem Systemwechsel auf einem anderen PC?

Unterstützt Windows XP das kommende Internetprotokoll IPv6? Wichtig ist für mich auch langfristige Zukunftssicherheit. Ist gesichert, dass Windows XP auch in 10 Jahren noch von Microsoft unterstützt wird? In dem schon weiter oben angesprochenen Vergleich zwischen Windows und Linux heisst es unter anderem, dass Linuxdistributoren jede Garantie für ihre Software ablehnen. Weiter heisst es in diesem sehr interessanten Text:
"Weder Support noch Wartung von Linux sind kostenfrei (...) und kann dem Unternehmen recht teuer kommen, denn generell gilt, dass für Support bezahlt werden muss."
Das ist ein Punkt, über den ich bisher noch gar nicht nachgedacht habe. Microsoft hat natürlich recht, denn z.B. die Telefonsupport-Hotline bei SuSE ist unglaublich teuer. Darf ich daraus dann im Umkehrschluss schliessen, dass jeglicher Support für Microsoft Windows kostenlos ist? Und wie sähe ein Garantiefall bei Microsoft aus, wenn beispielsweise wegen einem Software-Fehler eine Neuinstallation notwendig ist? Erhalte ich die mir dadurch entstandenen Kosten (Zeitaufwand und evtl. Verlust wichtiger Daten) - gegen einen entsprechenden Nachweis natürlich - von Microsoft erstattet?

Last but not least sind die Kosten ein nicht ganz unwichtiger Faktor. SuSE Linux 8.1 Professional erhielt ich mit sieben CDs, einer DVD und drei Handbüchern nebst 90 Tagen kostenlosem Installationssupport für rund 80 Euro mit aller oben erwähnten Software. Wie hoch sind die Kosten für ein entsprechend ausgestattetes Windows XP-System?

Ich bitte darum, dass Sie meine Fragen möglichst ausführlich beantworten und bin überzeugt davon, dass mir ein weitaus besseres System bieten können als Linux, das ja hauptsächlich das Werk von Hobby-Programmierern ist und schon deshalb und natürlich weil der Quellcode offen verfügbar ist, ein absolut unsicheres System ist, da schliesslich jeder im Quellcode herumpfuschen und trojanische Pferde oder Schlimmeres einbauen kann.

Ich bedanke mich schon jetzt für die Beantwortung meiner Fragen und verbleibe
mit freundlichen Grüssen Ihr
Jascha Berberich

Copyright Jascha Berberich, Erschienen auf Pro-Linux, letzte Änderung 2002-12-07

Re: Brief eines Linuxusers

Verfasst: So 6. Apr 2008, 12:24
von AAHJA
Handelt es sich hier nur um eine provokante, rhetorische Veröffentlichung, oder um einen real abgesendeten Brief ?
Falls es sich um einen real abgeschickten Brief handelt, würde mich die Anwort brennend interessieren.

Re: Brief eines Linuxusers

Verfasst: So 6. Apr 2008, 22:35
von ayin
Laut eigenen Angaben:
[Disclaimer: Den unten stehenden Text habe ich am 5.11.02 an service@support.microsoft.de geschickt. Bisher habe ich keine Antwort auf meine (durchaus ernstgemeinten ;-) Fragen erhalten.]
Quelle

Re: Brief eines Linuxusers

Verfasst: Mo 7. Apr 2008, 21:55
von AAHJA
Bei MS können manche Anfragen schon mal 10 Jahre dauern, wie kürzlich in einer bekannten Computer-Zeitschrift nachzulesen war. Bleib einfach guter Hoffnung !